PD Dr. Ute Kolb

Im Fokus dieser Gruppe steht die Entwicklung elektronenmikroskopischer Methoden zur strukturellen Charakterisierung nanokristalliner Materialien. Neben Arbeiten zur Verbesserung von Probenpräparation (z.B. Vitrifizierung organischer Lösungsmittel, Ultraschallsprayer) und elektronenmikroskopischem Zubehör (z.B. Probenhalter zur zerstörungsfreien Abbildung von AFM-Spitzen, zweistufiger Nullstrahlfänger für Gatan Imaging Filter GIF) konnte die Technik der Elektronenbeugung maßgeblich verbessert werden.

In 2007 gelang es erstmals mit Hilfe der hier entwickelten automatischen Elektronenbeugungstomographie (Automated electron Diffraction Tomography = ADT) Kristallstrukturen von einzelnen Nanokristallen zu erhalten. Die ADT Methode beruht auf der sequentiellen Kippung eine Nanokristalls im Transmissionselektronenmikroskop und der darauf folgenden Rekonstruktion (ADT3D oder eADT: Softwarepakete in Eigenentwicklung) des abgetasteten reziproken Raums. Daraus können Zellparameter, Raumgruppe, Indizierung der Kristallflächen und besondere kristallographische Gegebenheiten, wie Verzwilligung, Überstrukturen, Pseudosymmetrie, Verwachsungen oder Unordnungseffekte direkt abgeleitet werden. Außerdem verringert diese Vorgehensweise die ansonsten störende Dynamik der Beugungsdaten so stark, dass eine kinematische Strukturlösung mit Hilfe "Direkter Methoden" möglich ist.

In den vergangenen Jahren konnten Kristallstrukturen von natürlichen und synthetischen Nanokristallen im Zusammenhang mit einer breiten Palette wissenschaftlicher Fragestellungen gelöst werden, von denen die meisten über röntgenographische Verfahren nicht zugänglich waren. Als Beispiel seien hier extrem elektronenstrahlempfindliche organische Verbindungen wie Pharmaka und sogar komplexe metallorganische Netzwerke (MOFs) genannt. Außerdem können auch geringe Streupotentiale, z.B. von Gastmolekülen in porösen Materialien, detektiert werden. Besonders geeignet zeigt sich die ADT Methode für mehrphasige Materialien oder für kleine Probenmengen, wie sie bei der Hochdrucksynthese erhalten werden. Als weitere Materialklassen seien Legierungen, Quasikristall Approximanten, Thermoelektrika, Phosphate, Aerosole, Biominerale und Pigmente genannt. Besonders im Bereich der Mineralogie konnten neben dem Auffinden von neuen Mineralen auch Fragen beantwortet werden, die viele Jahrzehnte im Dunklen lagen.


Kristallstruktur eines hierarchischen MESO-Microporösen Zeolits (ITQ-43) inklusive Templatmolekül in den Poren gelöst mit der "delta recycling" Methode mit Daten aus der automatischen Beugungstomographie (ADT)Kristallstruktur eines hierarchischen MESO-Microporösen Zeolits (ITQ-43) inklusive Templatmolekül in den Poren gelöst mit der "delta recycling" Methode mit Daten aus der automatischen Beugungstomographie (ADT)
 

Application of delta recycling to electron ADT data from inorganic crystalline nanovolumes, J. Rius, E. Mugnaioli, O. Vallcorba and U. Kolb,
Acta Cryst A, 69 396-407 (2013) - highlighted.

Solution Synthesis of a new thermoelectric Zn1+xSb nanophase and its structure determination using automated electron diffraction tomography, Birkel, E. Mugnaioli, T. Gorelik, M. Panthöfer, U. Kolb, W. Tremel, J.Am.Chem.Soc., 2010, 132(28), 9881-9889, DOI: 10.1021/ja1035122

Synthesis and Structure Determination of the Hierarchical MESO-Microporous Zeolite ITQ-43, Jiang, J.L. Jorda, J. Yu, L.A. Baumes, E. Mugnaioli, M.J. Diaz-Cabanas, U. Kolb, A. Corma, Science, 2011, 333(6046), 1131–1134, DOI: 10.1126/science.1208652

Ab Initio Structure Determination of Vaterite by Automated Electron Diffraction, E. Mugnaioli, I. Andrusenko, T. Schüler, N. Loges, R. Dinnebier, M. Panthöfer, W. Tremel, U. Kolb, Angewandte Chem.Int. Ed., 2012, 51(28), 7041-7045, DOI: 10.1002/anie.201200845

The Bi sulfates from the Alfenza Mine, Crodo, Italy: An Automatic Electron Diffraction Tomography (ADT) Study, G.C. Capitani, P. Gentile, T. Catelani, A. Lucotti, E. Mugnaioli, R. Branscheid, U. Kolb, American Mineralogist, 2014, 99(2-3) 500-510, DOI: 10.2138/am.2014.4446